Am 16. April 1874 hat eine unnatürliche Kälte Edinburgh fest im Griff. Es ist der Tag, an dem ich auf die Welt komme. Das Erste, was ich sehe, ist Doktor Madeleine – eine Hebamme mit einer besonderen Leidenschaft: Sie repariert Leute. Sie tastet meine winzige Brust ab und wirkt beunruhigt: »Sein Herz ist hart, ich fürchte, es ist gefroren.« Sie stöbert auf einem Regal herum und nimmt verschiedene Uhren zur Hand. Mit einem Ohr lauscht sie meinem defekten Herzen, mit dem anderen dem Ticken der Uhren. »Diese hier!«, ruft sie plötzlich freudig und streicht zärtlich über eine alte Kuckucksuhr. Madeleine setzt mir die Uhr vorsichtig ein und zieht sie auf. »Tick, tack«, macht die Uhr. »Bubumm«, antwortet mein Herz. Ticktack. Bubumm. Ticktack. Bubumm. Jeden Morgen muss jetzt meine Uhr aufgezogen werden, sonst hat endgültig mein letztes Stündlein geschlagen. Und noch etwas muss ich bedenken: ich darf mich niemals verlieben, sonst könnte mein Uhrwerk verrückt spielen.
"Die Mechanik des Herzens" ist ebenso originell und einzigartig wie Filme von Tim Burton.
Mathias Malzieu erzählt ein Märchen für Erwachsene über das Leben und die Liebe. Dabei ist diese Liebe authentisch, aber auch düster.
Schon der Klappentext klingt einfach zauberhaft und einmalig, so mag es auch keinen verwundern, das die Umsetzung ebenso herausragend zu lesen ist.
Der Leser wird Teil der Geschichte, auch wenn diese leider viel zu kurz und zu schnell zu Ende ist.
Viele überraschende Wendungen halten die Geschichte zusätzlich am Leben. Neben der Poesie und der nachdenklich stimmenden Geschichte benötigt "Die Mechanik des Herzens" keine spannungsgeladene Handlung um zu überzeugen.
Man lernt von diesem Buch viel über das Leben und die Grausamkeiten die es bereithält.
Jeder, der bereit ist, das Besondere, das zwischen den Zeilen zu finden ist, zu entschlüsseln und sich auf eine poetische, etwas andere Geschichte einzulassen, wird mit einer wunderschönen, aber auch sehr authentischen Lektüre belohnt.
Jack ist ein sympathischer, sehr sensibler und verträumter Held. Miss Acacias erschien mir dagegen in ihrer Art sehr eitel und lieblos, was aber ein wichtiger und authentischer Aspekt der Handlung ist, denn Liebe ist oft nicht rosarot und beidseitig bedingungslos.
Auch die vielen weiteren Charaktere sind sehr einzigartig und unterschiedlich skizziert. Durch diese Authentizität gewinnt die Geschichte zusätzlich an Reife und becirct durch harten Realismus, der das Leben so widerspiegelt, wie es ist.
Mathias Malzieu besitzt eine bildgewaltige und lebendige Sprache. Er lässt die Sätze vor Augen treten und schafft es mit viel Poesie einer einmaligen Geschichte Leben einzuhauchen. Mit viel Melancholie erlebt der Leser zusammen mit Jack das gesamte Gefühlsspektrum. Die Beschreibungen des Autors sind ebenso einzigartig wie schön, sie schaffen Kopfkino und werden noch zusätzlich durch die Metaphern, die nicht nur zwischen den Zeilen zu finden sind, unterstützt.
Das Cover springt sofort ins Auge und kann nur als wunderschön bezeichnet werden. Mit viel Detailverliebtheit und ebenso viel Feingefühl wurde dieses Cover gestaltet, in dem die Melancholie des Buches mitschwingt.
Herzlichen Dank an carl's books für dieses Rezensionsexemplar.
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